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Für Personaldienstleister ist das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) tägliches Brot und das mit Abstand wichtigste Gesetz. Doch die puren Gesetzestexte sind eher für Rechtsexperten gemacht. Wer sich informieren will, wie die Bundesagentur für Arbeit (BA) die zentralen Vorschriften des AÜG auslegt, sollte einen Blick in die Fachlichen Weisungen werfen.
Diese haben im Oktober 2024 zum ersten Mal seit rund fünf Jahren wieder ein Update erhalten. Gut zu wissen: Prüfteams und Teams der Sachbearbeitung der BA orientieren sich bei ihren Betriebsprüfungen ab sofort an diesen Vorgaben.
Laut BA beziehen sich die Änderungen auf zahlreiche Punkte: „Gesetzesänderungen und aktuelle Rechtsprechung erfordern eine Aktualisierung der Fachlichen Weisungen zum Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG). Neben klarstellenden Ergänzungen und Erläuterungen wurden in der Praxis nicht mehr relevante Fallgestaltungen gestrichen.“
Geändert hat sich eine Menge, zumindest im Detail und im Vergleich zu den vorherigen Updates. Allein die Änderungsauflistung seit der letzten Veröffentlichung 2019 umfasst eine Stichpunktliste von rund eineinhalb DIN-A4-Seiten. Die Fachlichen Weisungen in der Ausgabe Herbst 2024 sind damit jetzt insgesamt 108 Seiten stark. Wir stellen zwei wichtige Änderungen vor und listen am Ende des Beitrags zur Übersicht sämtliche Aktualisierungen auf.
Ein zentraler Punkt im AÜG ist das sogenannte Territorialitätsprinzip. Räumlich beschränkt es den Geltungsbereich der Erlaubnispflicht des AÜG auf die Bundesrepublik Deutschland. Damit gilt das AÜG für jede gewerbsmäßige innerdeutsche Überlassung von Arbeitnehmenden, auch wenn ausländische Unternehmen ihre ausländischen Arbeitnehmenden an Kunden in Deutschland überlassen. Dafür wird ein hinreichender Inlandsbezug vorausgesetzt, der bisher gegeben war, wenn Arbeitnehmende dafür deutschen Boden betraten.
Neu betrachtet werden in den aktuellen Fachlichen Weisungen Tätigkeiten, die keine Präsenz in Deutschland voraussetzen. Zum Beispiel können viele IT-Tätigkeiten virtuell aus dem Ausland übernommen werden. „Erlaubnisrechtlich ist entscheidend, ob die Überlassung Inlandsbezug aufweist. Das ist bei ortsunabhängigen Arbeitsleistungen regelmäßig der Fall, wenn die Überlassung vom Inland aus erfolgt oder der Leiharbeitnehmer virtuell für einen inländischen Entleiher tätig wird“, heißt es von der BA.
Die Neuinterpretation des Territorialitätsprinzips in den neuen Fachlichen Weisungen der Bundesagentur für Arbeit erweitert den Geltungsbereich des AÜG erheblich. Bisher war eine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis nur erforderlich, wenn überlassene Mitarbeitende physisch in Deutschland tätig waren. Nun kann auch eine rein virtuelle Tätigkeit aus dem Ausland unter die Erlaubnispflicht fallen, wenn die Arbeitsleistung für einen deutschen Entleiher erbracht wird oder die Überlassung vom Inland aus erfolgt.
Damit rücken Modelle wie der „Employer of Record“ in den Fokus. Dabei beschäftigt ein Unternehmen mit Sitz im Ausland Arbeitnehmende und verleiht diese an deutsche Unternehmen. Die Arbeitsleistung wird jedoch ausschließlich im Ausland erbracht.
Unternehmen, die Remote-Modelle mit aus dem Ausland arbeitenden Zeitarbeitskräften nutzen, sowie Unternehmen, die auf „Employer of Record“-Modelle setzen, sollten die eigene Situation von Rechtsexperten prüfen lassen, um Probleme zu vermeiden.
Zur Begründung heißt es: „Um den Schutz des Teilarbeitsmarkts Arbeitnehmerüberlassung zu wahren, kann bei Arbeitsleistungen, die ortsunabhängig ausschließlich im Homeoffice bzw. als ausschließliche Telearbeit erbracht werden, nicht allein darauf abgestellt werden, wo sich der Leiharbeitnehmer rein körperlich befindet“.
Zur Beantragung einer Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung sind jetzt zudem höhere liquide Mittel Voraussetzung. Mussten bisher mindestens 10.000 Euro als liquide Mittel nachgewiesen werden, bei Beschäftigung von mehr als fünf Leiharbeitskräften 2.000 Euro pro Person, sind es jetzt Minimum 15.000 Euro sowie 3.000 Euro pro Leiharbeitnehmendem.
Für eine in diesem Zusammenhang in der Praxis oft auftretende Fragestellung gibt es aber auch in den aktuellen Fachlichen Weisungen keine Klarstellung: Oft wird diskutiert, ob die Bonitätsanforderungen nur für Vollzeitkräfte oder auch für Teilzeitmitarbeitende und Minijobber gelten.
Fazit
Das PDF-Dokument ist eine zentrale Quelle für Personaldienstleister, um sich rechtlich auf sicherem Terrain zu bewegen. Die neuen Fachlichen Weisungen umfassen viele Änderungen, von der Auslegung des Territorialitätsprinzips bis hin zu geänderten Bonitätsanforderungen. Der Gesamtverband der Personaldienstleister GVP hat bereits seine Rechtsabteilung mit einer detaillierten Analyse beauftragt und will nach Auswertung über die Änderungen noch einmal gesondert informieren. Um rechtliche Risiken zu vermeiden, sollten Unternehmen dennoch frühzeitig prüfen, welche Regelungen ihre spezifischen Prozesse betreffen.
Foto: © Adobe Stock / Robert Kneschke / 187302074
Jörg Geiger ist Diplom-Informatiker und arbeitet seit über 20 Jahren als Fachjournalist im Bereich Technik. Dabei interessiert er sich vor allem für IT, die den Alltag tatsächlich verbessert. Für den zvoove Blog berichtet er über Trends und Entwicklungen in der Gebäude- und Personaldienstleistung, sowohl in technischer Hinsicht als auch in Bezug auf branchenspezifische Regelungen und Marktentwicklungen.
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