Der Begriff War for Talents wurde 1997 von einem Mitarbeiter bei McKinsey & Company geprägt. Ursprünglich bezog er sich noch auf den Wettbewerb um Absolventen und Topstudenten renommierter Universitäten. Angesichts einer Verknappung der Ressource Personal und des intensiven Wettbewerbs um qualifizierte Mitarbeiter, wird er mittlerweile in einem breiteren Kontext verwendet. Mit War for Talents wird im Allgemeinen der Wettbewerb um Mitarbeiter verstanden, die auf dem Arbeitsmarkt hart umkämpft sind. Für viele Unternehmen sind leistungsstarke Mitarbeiter eine erfolgskritische Ressource, so dass die Akquise und Bindung von Talente einen wichtigen Stellenwert einnimmt. Dennoch lässt sich der Begriff War for Talents auch kritisch betrachten, da die Kriegsmetapher auf militärischen Jargon zurückgreift und Konnotationen von Gewaltszenarien evozieren kann.
Mitverantwortlich für den verschärften Wettbewerb um qualifizierte Mitarbeiter sind verschiedene Faktoren:
- Der demographische Wandel ist in Deutschland Statistiken zufolge mit einem Rückgang der erwerbsfähigen Bevölkerung verbunden: Übersteigt die Sterberate die Geburtenrate, führt dies zu einem Bevölkerungsrückgang. Die geburtenstarken Jahrgänge der Babyboomer-Generation werden älter und weisen eine höhere Lebenserwartung auf. Diese Veränderung der Altersstruktur hat zur Folge, dass Unternehmen sich auf eine zunehmend alternde oder altersdiverse Belegschaft einstellen müssen. Sie stehen vor der Herausforderung, passende Mitarbeiter und Nachwuchskräfte zu finden, ungenutztes Arbeitsmarktpotenzial zu erkennen und ihr Personalmanagement demografiefest zu gestalten.
- Ebenso verhärtet wird der Wettbewerb um geeignete Arbeitnehmer durch den Fachkräftemangel bzw. Fachkräfteengpässe. Ein Unterangebot an Fachkräften, d. h. Erwerbsfähigen mit einer akademischen Ausbildung oder einer Berufsausbildung von mindestens zwei Jahren, herrscht, wenn ein Ungleichgewicht (Fehlanpassung) zwischen angebotenen und nachgefragten Qualifikationen besteht. Es sind also nicht genügend Bewerber mit den richtigen Qualifikationen auf dem Bewerbermarkt akquirierbar und Unternehmen schreiben mehr Stellen aus, als Bewerber vorhanden sind. Ein Fachkräftemangel herrscht dann, wenn dieser Zustand andauert und flächendeckend ist. Ein Fachkräfteengpass hingegen besteht temporär in bestimmten Branchen, Berufsgruppen, Teilarbeitsmärkten oder Regionen. Deutlich wird ein solches Unterangebot daran, dass Unternehmen offene Stellen nur schwer besetzen können und eine höhere Vakanzzeit aufweisen.
- Auch die Veränderung von Qualifikationsanforderungen an Arbeitnehmer, z. B. im Zuge technologischer Entwicklungen und der Digitalisierung, kann zu einem Unterangebot an qualifizierten Arbeitskräften führen. Gewinnt eine bestimmte Branche oder ein Tätigkeitsfeld rasch an Bedeutung, kann es sein, dass noch nicht genügend ausgebildete Arbeitskräfte vorhanden sind, der Arbeitsmarkt also noch nicht auf die veränderten Anforderungen eingestellt ist. All diese Faktoren können dazu beitragen, dass der Konkurrenzdruck steigt und Arbeitgeber in einem schärferen Wettbewerb stehen.
Wie sich Unternehmen im War for Talents behaupten
Der Wettbewerb um den knappen Produktionsfaktor Personal stellt Unternehmen vor neue Herausforderungen im Recruiting und Talentmanagement. Bewerber in Mangelberufen gewinnen eine günstige Verhandlungsposition und die Verhandlungsmacht verschiebt sich zu ihren Gunsten. Arbeitgeber, die um begehrte Talente konkurrieren, verlassen sich in aller Regel nicht auf die Veröffentlichung von Stellenanzeigen – die im Recruiting-Jargon sogenannte Post-and-Pray-Methode. Passive oder latent wechselwillige Kandidaten werden etwa mithilfe von Direktansprache (Active Sourcing) umworben. In der Personalgewinnung und Mitarbeiterbindung haben Employer Branding und Personalmarketing an Bedeutung gewonnen. Welche Instrumente und Maßnahmen verwenden Arbeitgeber im War for Talents?
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Personalmarketing: Personalmarketing ist eine Querschnittsfunktion des Personalmanagements. Die Maßnahmen und Instrumente des Personalmarketings tragen dazu bei, das Unternehmen als attraktiven Arbeitgeber zu positionieren und mit qualifizierten Mitarbeitern zu versorgen. Auch andere unternehmensverbundene Akteure (z. B. Kunden, Lieferanten) können durch die Kommunikation einer attraktiven Arbeitgebermarke erreicht werden. Employer Branding ist ein wichtiges Instrument im Zuge des Personalmarketings.
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Employer Branding: Maßnahmen des Employer Branding zielen darauf ab, das Unternehmen mit einer überzeugenden Arbeitgebermarke (Employer Brand) als attraktiven Arbeitgeber zu positionieren. Die Maßnahmen richten sich dabei sowohl an den externen Bewerbermarkt als auch an die internen Mitarbeiter: Im Idealfall bewirkt die Arbeitgebermarke durch strategische Arbeitgeberkommunikation eine positive Einstellung der Zielgruppe gegenüber dem Unternehmen, um Vorteile in der Personalakquise und in der Mitarbeiterbindung zu erzielen. Gezieltes Employer Branding an Hochschulen ermöglicht es, Nachwuchskräfte bereits im Studium zu erreichen und zu umwerben, zum Beispiel auf Karrieremessen oder durch Guerilla Marketing. Wichtige Schritte im Employer Branding Management sind:
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Active Sourcing: Die proaktive Kandidatenansprache ermöglicht es Unternehmen, mit potenziellen Mitarbeitern und High Potentials in Kontakt zu treten. Eine Methode des Online Active Sourcing ist die Recherche nach passenden Kandidaten, die über ihre Profile in Business-Netzwerken wie XING oder LinkedIn kontaktiert werden. Offline Active Sourcing erfolgt durch den Kontakt zu vielversprechenden Kandidaten auf u. a. Karrieremessen, Hochschulmessen, Seminaren oder Workshops. Dabei werden potenzielle Mitarbeiter nicht nur mit Blick auf bestehende Vakanzen angesprochen, sondern auch für mögliche zukünftige Positionen. In einem Kandidatenpool bzw. Talentpool können Recruiter vielversprechende Kandidaten festhalten, um bei Bedarf (z. B. Personalengpässen) auf sie zurückzukommen. Neben den Kandidatenprofilen können auch Profile ehemaliger Bewerber und kompetenter Mitarbeiter angelegt werden.
- ** Recruiting**: Der Recruiting-Erfolg hängt auch davon ab, wie der Bewerbungsprozess ausgestaltet wurde. Erreicht das Unternehmen durch die Auswahl der Recruiting-Kanäle und Stellenbörsen auch tatsächlich seine Bewerberzielgruppe? Gelingt es dem Arbeitgeber, sich im Recruiting-Prozess als attraktiver und verlässlicher Arbeitgeber zu positionieren? Ist der Bewerbungsprozess mit Hürden verbunden, zum Beispiel komplizierten Online-Bewerbungen, die u. U. sogar zu einem Bewerbungsabbruch führen? Eine Möglichkeit zur Optimierung des Recruiting-Prozesses besteht in der Nutzung eines Bewerbermanagement-Systems, mit dessen Hilfe Entscheider effektiver kommunizieren und schnelleres Kandidatenfeedback liefern können. Funktionen wie CV-Parsing, also das automatische Auslesen und Übertragen von Bewerberstammdaten, vereinfachen den Bewerbungsprozess und leisten einen Beitrag zur Verbesserung der Candidate Experience. Sollte der nationale Arbeitsmarkt keine passenden Bewerber hergeben, können Recruiter auch die Möglichkeit des internationalen Recruitings in Erwägung ziehen, um ihre Bewerberreichweite zu erhöhen. Zur Besetzung von Personalengpässen und zur Bewältigung von Auftragsspitzen eignen sich ggf. auch Maßnahmen der Arbeitnehmerüberlassung (Zeitarbeit).
Fazit
Der Begriff War for Talents verweist auf den Wettbewerb um hart umkämpfte Potenzialträger. Im Zuge des demographischen Wandels und des Fachkräftemangels hat sich die Situation auf dem Arbeitsmarkt verändert: Vor allem in Mangelberufen verschiebt sich die Verhandlungsmacht zugunsten der Bewerber. Mit War for Talents soll auf den verstärkten Konkurrenzdruck unter Arbeitgebern aufmerksam gemacht werden. Der Wettbewerb bietet aber auch Möglichkeiten für neue kreative Methoden im Recruiting, für die Verbesserung von Recruiting-Prozessen und die Kooperation von Unternehmen, um Talente zu akquirieren und zu binden (z. B. durch die gemeinsame Finanzierung von Kindertagesstätten für Betriebsangehörige).