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25.04.2018 Alle Artikel

Personal und Bewerber richtig beurteilen: Die häufigsten Beurteilungsfehler

Wahrnehmungsfehler erkennen

Die menschliche Wahrnehmung ist selektiv: Sie nimmt nur bestimmte Informationen aus der Umwelt wahr und blendet andere aus. Wäre das nicht so, würden wir schnell von der Vielzahl an Reizen überflutet, die uns täglich begegnen. Die selektive Wahrnehmung ermöglicht es, Informationen zu filtern und zu priorisieren. Die bewusste oder unbewusste Reizselektion befähigt erst zum Handeln – auf der anderen Seite kann sie dazu führen, dass in Beurteilungssituationen bestimmte Aspekte nicht oder nicht richtig wahrgenommen werden. In der Beurteilung von Mitarbeitern und Bewerbern können Wahrnehmungsverzerrungen und Beurteilungsfehler auftreten. Die Folge: Mitarbeiter werden in ihrer Arbeitsleistung und ihrem Potenzial falsch eingeschätzt. In der Personalauswahl kann es zu Fehlentscheidungen kommen, wenn etwa ungeeignete Kandidaten eingestellt (Alpha-Fehler) und geeignete Bewerber abgelehnt werden (Beta-Fehler). Wer die gängigsten Wahrnehmungsfehler kennt und Fehlerquellen einschätzen kann, ist besser vor ihnen gewappnet.

Wahrnehmungsfehler: Heiligenschein, Teufelshörner & Co.

Der wohl bekannteste Wahrnehmungsfehler ist der Halo-Effekt (engl. für Heiligenschein): Wie bei einem Heiligenschein, der sofort ins Auge stechen würde, fällt hier ein Merkmal besonders auf, das alle anderen überstrahlt. Bei dieser Form der positiven kognitiven Verzerrung bildet sich der Beurteiler (fälschlicherweise) auf Grundlage einer Besonderheit einen Gesamteindruck und vernachlässigt andere Merkmale. Legt der Beurteiler auf das hervorstechende Merkmal besonders großen Wert, ist der Effekt umso stärker. Am besten untersucht ist der Heiligenschein-Effekt bei der physischen Attraktivität von Personen: Ein attraktiver Mensch wird beispielsweise häufiger als intelligent und gesünder wahrgenommen, auch wenn keine objektive Grundlage dafür vorliegt. Sticht dem Beurteiler bei einer Person vor allem ein negativer Aspekt oder eine negative Verhaltensweise ins Auge, spricht man auch vom Teufelshörner-Effekt, etwa wenn bei einem ungepflegten Äußeren auf eine unordentliche Arbeitsweise geschlossen wird. Der Halo-Effekt kann problematisch sein, wenn ungeeignete Bewerber eingestellt oder Mitarbeitern in ungeeigneten Positionen eingesetzt werden. Eine Möglichkeit dem Effekt vorzubeugen, besteht darin, ein formales Bewertungssystem zu nutzen und Merkmale einzeln zu bewerten. Auch der Zeitpunkt, zu dem bestimmte Informationen zu der beurteilenden Person eintreffen, kann die Beurteilung beeinflussen: 

Beim Primäreffekt bzw. primacy effect wirken sich früher eingehende Informationen stärker auf die Beurteilung aus als spätere Informationen. Der erste Eindruck prägt die Beurteilung und Einstellung gegenüber der Person. Ein Grund dafür ist, dass Informationen besser im Langzeitgedächtnis gespeichert werden können, wenn noch keine Informationen zu dem Thema vorhanden sind, mit denen sie interferieren können. 

Umgekehrt haben beim Rezenzeffekt oder recency effect später eingehende Informationen mehr Gewicht, da diese zuletzt im Kurzzeitgedächtnis gespeichert wurden und eher im Gedächtnis haften bleiben. Der recency effect äußert sich zum Beispiel darin, dass sich Führungskräfte an kürzlich erfolgte Arbeitsleistungen ihrer Mitarbeiter besser erinnern und diese stärker in die Beurteilung einbeziehen. Gleichzeitig kann es dazu kommen, dass Mitarbeiter ihr Leistungsengagement kurz vor der Beurteilung erhöhen. Der Rezenzeffekt ist auch als Nikolauseffekt bekannt, in Anspielung daran, dass der Nikolaus Kinder nur an Verfehlungen oder positive Ereignisse aus der nahen Vergangenheit erinnert. Entgegenwirken können Beurteiler dem Rezenzeffekt zum Beispiel, wenn sie beurteilungsrelevante Inhalte kontinuierlich schriftlich dokumentieren. Werden Mitarbeiter, die für längere Zeit nicht befördert worden sind, unterschätzt, spricht man vom Kleber-Effekt. Von der fehlenden Beförderung wird darauf geschlossen, dass der Mitarbeiter keine positive Leistungsentwicklung aufweist. 

Bleibt eine negative Leistungsbeurteilung am Mitarbeiter haften, ist auch von Status-quo-Effekt die Rede, da der Status quo nicht interfragt wird. Wird im umgekehrten Fall ein Mitarbeiter, der in der Hierarchie aufgestiegen ist, besser bewertet – und zwar umso mehr, je schneller der Aufstieg gelungen ist – handelt es sich um den sogenannten Hierarchie-Effekt. Hier liegt der (Fehl)Schluss zu Grunde, dass ein Mitarbeiter, der in der Hierarchie aufgestiegen ist, gute Leistungen erbringen muss. Allerdings lässt sich nicht automatisch sagen, dass er neue und höherrangige Aufgaben mit hoher Arbeitsleistung erfüllt. Um den Hierarchie-Effekt zu vermeiden, sollte der Beurteiler seine Beurteilung nicht vom sozialen Status des Mitarbeiters abhängig machen. 

Der Andorra-Effekt geht in der Namensgebung auf das Drama des Schweizer Schriftstellers Max Frisch zurück: Er beschreibt, dass eine Person sich an die Einschätzungen und Erwartungen des Beurteilers anpasst und diese im Sinne einer selbsterfüllenden Prophezeiung nach und nach übernimmt. So kann sich die Leistung eines Mitarbeiters bei ständiger schlechter Bewertung tatsächlich verschlechtern oder im umgekehrten Fall bei positiver Einschätzung verbessern. Der Kontakteffekt verweist auf die Tendenz, Mitarbeiter positiver zu beurteilen, wenn man mit ihnen häufiger Kontakt hatte. Widerholte Kontakte erleichtern es, dass sich Gesprächspartner aufeinander einstellen und können die Sympathie fördern. In diesem Sinne kann es auch zu Beurteilungsfehlern kommen, wenn besonders sympathische Mitarbeiter in ihrer Arbeitsleistung positiver beurteilt werden und unsympathische Kollegen schlechtere Beurteilungen erhalten. Ebenso kann sich die Stimmung des Beurteilenden auf die Beurteilung auswirken: Ist dieser positiv gestimmt, fällt die Beurteilung besser aus. Beurteilungsverzerrend können auch Stereotype oder weit verbreitete Vorurteile wirken, die bestimmten sozialen Gruppen zugeschrieben werden und mit Verhaltenserwartungen einhergehen.

Vorqualifizierung von Kandidaten mit Bewerbermatching

Unternehmen, die stapelweise Bewerbungsunterlagen sichten müssen oder solche, denen nur knappe Ressourcen zur Verfügung stehen, kennen den Stress der Bewerbervorselektion: Für die Durchsicht der Unterlagen bleiben oft nur wenige Minuten. Abhilfe schaffen Matching-Funktionen in Bewerbermanagement-Softwares. Das Bewerbermatching erfolgt z. B. anhand eigens definierter Skills oder anhand der Kompetenzen aus analysierten Lebensläufen und dem Skillkatalog der Bundesagentur für Arbeit.

Fazit

Aufgrund begrenzter Informationsverarbeitungskapazitäten ist die menschliche Wahrnehmung selektiv. Das kann in der Beurteilung von Personal und Bewerbern einen Nachteil darstellen, wenn bestimmte Beurteilungsmerkmale und Verhaltensweisen nicht richtig wahrgenommen, über- und unterschätzt oder übersehen werden. Wer die häufigsten Beurteilungsfehler wie den Halo-Effekt, den Primär- oder Rezenzeffekt kennt, kann Fehlerquellen besser einschätzen und Urteilsverzerrungen entgegenwirken. 

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