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07.02.2024 Alle Artikel

Bürgergeld als Job-Killer in der Gebäudedienstleistung?

Bürgergeld und Gebäudereinigung: Eine Umfrage mit Sprengkraft


Dass in Deutschland Fachkräftemangel herrscht, dürften die meisten Branchen bestätigen. Auch in der Gebäudedienstleistung ist es eine Herausforderung, passendes Personal zu finden. Da sorgte eine Herbst-Konjunkturumfrage 2023 des Bundesinnungsverbandes des Gebäudereiniger-Handwerks (BIV) für zusätzlichen Diskussionsstoff.
Dort wurden zwei zentrale Aussagen aufgearbeitet: Die Stimmungslage in Deutschlands beschäftigungsstärkstem Handwerk sei eingetrübt und das Bürgergeld verschärfe die Personalnot der Unternehmen. Die befragten Unternehmen machen sich laut Umfrage große Sorgen, dass das Bürgergeld zunehmend in Konkurrenz zum Lohnerwerb tritt. 28,4 Prozent der befragten Gebäudedienstleister:innen geben an, dass bereits mehrere Beschäftigte mit konkretem Verweis auf das Bürgergeld gekündigt beziehungsweise eine Kündigung in Aussicht gestellt hätten. Weitere 40 Prozent bestätigen diesen Trend, sprechen aber noch von Einzelfällen. Nur rund ein Drittel konnte einen Negativeinfluss des Bürgergeldes auf die Personalsituation nicht bestätigen.
Die Bewertung durch Bundesinnungsmeister Thomas Dietrich fiel entsprechend aus: „Dass das neue Bürgergeld bei sieben von zehn Unternehmen in Deutschlands beschäftigungsstärkstem Handwerk die Personalnot verschärft, sollte die Politik dringend alarmieren. Die Balance zwischen Fordern und Fördern sowie sozialem Ausgleich und Anreiz zur Arbeit muss von der Politik dringend im Auge behalten werden – sonst droht eine gefährliche Entwicklung für den Arbeitsmarkt, die Wirtschaft und die Leistungsfähigkeit unseres Standortes.“

Zu wenige Vollzeitjobs in der Gebäudereinigung?

Und damit war die hitzige Diskussion eröffnet: Gegenwind gab es sofort von Gewerkschaftsseite. So hielt die IG Bau die Umfrage der Innung für „höchst unseriös“, wie Ulrike Laux, im Vorstand der IG Bau zuständig für die Gebäudereinigungsbranche, es ausdrückte. Sie verweist auf Zahlen der Bundesanstalt für Arbeit: Aufgrund der eingetrübten Konjunktur stieg die Zahl der Arbeitslosen von September 2022 bis 2023 über alle Berufsgruppen hinweg um 5,6 Prozent, in den Reinigungsberufen jedoch nur um 2,5 Prozent.
Laux erklärte, dass viele Frauen und Männer gerne ihren Job in der Reinigungsbranche machten. Wenn jemand in eine andere Branche wechsle, dann nur, weil dort besser bezahlt werde. Ein weiterer Grund sei, dass viele Beschäftigte keine Vollzeitjobs bekämen, sondern nur in Teilzeit arbeiten könnten.

Neue Bürgergeldsätze 2024

Doch wie sehen die neuen Regelungen zum Bürgergeld 2024 aus? Es gab zum 1. Januar 2024 eine merkliche Steigerung. Wer auf Sozialhilfe oder Bürgergeld angewiesen ist, was in Deutschland rund 5,5 Millionen Bürgerinnen und Bürger betrifft, bekommt seit Anfang des Jahres mehr Geld. Alleinstehende Erwachsene zum Beispiel erhalten 563 Euro im Monat. Das ist ein Plus von 61 Euro, umgerechnet 12 Prozent.
Das Bürgergeld ist der Nachfolger von Hartz IV und ein grundlegender Unterschied ist, dass die Regelsätze jetzt schneller an die Inflation angepasst werden können. So sehen sie aus:

  • Alleinerziehende: 563 Euro pro Monat (vorher 502 Euro)
  • Mit Partnern zusammenlebende Erwachsene: 506 Euro pro Monat (vorher 451 Euro)
  • Volljährige in Einrichtungen: 451 Euro pro Monat (vorher 402 Euro)
  • Jugendliche (14 bis 17 Jahre): 471 Euro pro Monat (vorher 420 Euro)
  • Kinder (6 bis 13 Jahre): 390 Euro pro Monat (vorher 348 Euro)
  • Kinder (unter 6 Jahre): 357 Euro pro Monat (vorher 318 Euro)

Bürgergeld vs. Mindestlohn: Arbeit lohnt sich trotzdem

Auch weil es in der hitzigen Diskussion manchmal passiert: Das Bürgergeld hat erstmal nichts mit dem Mindestlohn zu tun beziehungsweise sollte nicht damit verwechselt werden. Auch der Mindestlohn ist 2024 gestiegen, und zwar auf 12,41 Euro pro Stunde. Dabei handelt es sich um eine Untergrenze für den Arbeitslohn pro Stunde, die in Deutschland nur in Ausnahmefällen unterschritten werden darf.
Der Vergleich zwischen Mindestlohn und Bürgergeld steht jedoch für den zentralen Streitpunkt in der ganzen Debatte. Denn Kritiker der Bürgergelderhöhung meinen, dass sich Arbeit nicht mehr lohnen würde. Das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung (Deutscher Gewerkschaftsbund) hat verschiedene Fälle durchgerechnet. Alleinstehende zum Beispiel, die in Vollzeit zum Mindestlohn arbeiten, würden demnach im Durchschnitt 532 Euro mehr als mit Bürgergeld erhalten. Bei Familien mit drei Kindern erziele man mit Mindestlohneinkommen zwischen 429 und 771 Euro mehr pro Monat als mit Bürgergeld, das Alter der Kinder sorge hier für die Spannweite.

Weitere Rechenbeispiele hat das Nachrichten-Magazin Focus durchgespielt: Dabei ging es sowohl um den Vergleich von Bürgergeld- mit Mindestlohnbeziehenden als auch um den von Bürgergeld mit Niedriglöhnen. In einem von acht durchgerechneten Szenarien – eine Familie mit zwei Kindern und einem Alleinverdiener mit Mindestlohn – brachte hier das Bürgergeld tatsächlich mehr auf das Konto. Dabei ist eingerechnet, dass beim Erhalt von Bürgergeld neben den Regelsätzen auch noch Mieten bis zu einer Maximalgröße bezahlt werden, ebenso die Heizkosten und der Rundfunkbeitrag. Sieht man sich das Beispiel genauer an, erkennt man, dass die darin angenommenen hohen Ausgaben für Miete und Heizung zu dem Vorteil führen.

Zwei Punkte sind hier wichtig: Erstens haben auch Geringverdienende Anspruch auf zusätzliche Leistungen wie Wohngeld oder Kinderzuschlag und zweitens haben sie einen größeren Freibetrag beim Erwerbseinkommen.

Die These also, dass Bürgergeldbeziehende ohne Arbeit genauso viel oder gar mehr verdienen als manche Beschäftigte, ist so nicht haltbar.

Löhne in der Gebäudereinigung

In der Gebäudedienstleistung kommt außerdem noch hinzu: Anfang 2024 gab es eine Lohnerhöhung in der Branche, der aktuelle Tarifvertrag läuft noch bis Ende 2024. Der allgemeinverbindliche Branchenmindestlohn liegt jetzt bei 13,50 Euro pro Stunde (Lohngruppe 1), also mehr als einen Euro über dem gesetzlichen Mindestlohn. Mehr Geld bekommen auch Auszubildende, Fachkräfte sowie die Beschäftigten in der Glas- und Fassadenreinigung.

Die Erhöhung war zwar nur ein Sprung um 3,85 Prozent. Jedoch war die letzte Steigerung, zum 1. Oktober 2022 von 11,55 Euro auf 13 Euro, umfangreicher und entspricht immerhin einem Plus von 12,55 Prozent.

Der Branchenmindestlohn für Fachkräfte der Glas- und Fassadenreinigung (Lohngruppe 6) ist zum 1. Januar 2024 von 16,20 Euro auf 16,70 Euro (plus 3,09 Prozent) geklettert. Auch die Ausbildungsvergütungen wurden erhöht, je nach Lehrjahr gibt es pro Monat 900, 1.035 oder 1.200 Euro. Der Rahmentarifvertrag sieht außerdem mehr Geld für Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit sowie Erschwernis- und Belastungszuschläge vor.

„Wegen Bürgergeld kündigen ist dumm“

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil erklärte in einem Interview mit der FAZ: „Wenn jemand wirklich mit Verweis auf das Bürgergeld kündigen sollte, wäre das doch ziemlich dumm“. Denn: Zum Bürgergeld kann man nicht einfach wechseln wie zu einem anderen Beruf.

Zum einen ist Bürgergeld eine sogenannte nachrangige Sozialleistung und damit erst nach Ausschöpfung anderer Leistungen wie Arbeitslosengeld, Wohngeld und -zuschüssen, Kindergeld usw. beantragbar. Dies kann zur Ablehnung eines Antrags auf Bürgergeld durch die Arbeitsagentur führen.

Zum anderen ist eine Kündigung mit dem Ziel des Bürgergeldbezugs nicht erlaubt: Sanktionen mit bis zu 30 Prozent Kürzung der Leistungen können erfolgen. Wer Bürgergeld erhält, hat außerdem auch Pflichten, so muss er oder sie etwa eigene Jobbemühungen nachweisen, an von der Arbeitsagentur organisierten Schulungsmaßnahmen teilnehmen oder angebotene Stellen der Arbeitsagentur annehmen, wenn sie zumutbar sind.

Hinzu kommt: Wer Bürgergeld bezieht, zahlt nicht in die Rentenkasse ein, was langfristig die Rentenzahlungen mindert. Der Bezug von Bürgergeld hat also Einschränkungen und wirkt sich auf die Rentenansprüche aus.

Sachlich informieren und offen miteinander reden

Die ganze Diskussion ist emotional sehr stark aufgeladen. In der Praxis wäre es gut, das Thema sachlich zu besprechen. Denkbar ist, dass Arbeitnehmende das Bürgergeld als Argument anführen, wenn sie insgesamt mit der Arbeit unzufrieden sind.

Wenn mit Verweis auf das Bürgergeld eine Eigenkündigung angedroht oder offen um eine arbeitgeberseitige Kündigung gebeten wird, um drohenden Sanktionen beim Bürgergeld zu entgehen, empfiehlt es sich zum einen, dass Arbeitgebende ihre Beschäftigten sachlich informieren, um gegebenenfalls unrealistischen Ideen vom Leben mit Bürgergeld zu begegnen. Möglicherweise haben diese Mitarbeitenden eine falsche Vorstellung davon, was Bürgergeld ist und mit welchen Konsequenzen es gezahlt wird.

Ratsam ist es zum anderen auch, offen und ehrlich miteinander zu sprechen – unter Umständen drückt nämlich der Schuh dieser Mitarbeitenden eigentlich an anderer Stelle und es können gemeinsam Lösungen gefunden werden.

Fazit

Bisher lässt sich eine Kündigungswelle durch das erhöhte Bürgergeld nicht an den Arbeitsmarktzahlen ablesen, weder an den Gesamtzahlen noch an denen speziell für die Gebäudedienstleistung. Das Jahr begann aber wie üblich mit steigender Arbeitslosigkeit. Rechenbeispiele zeigen, dass Arbeit fast immer mehr bringt als Bürgergeld. In Fällen, in denen das nicht der Fall ist, sollten auch Mindestlohnverdienende durch zusätzliche Sozialleistungen bessergestellt werden. Die Idee, einfach zum Bürgergeld „zu wechseln“, ist eine Fehleinschätzung, die in der Praxis so nicht möglich ist. Richtig ist aber auch, dass der Abstand von Bürgergeld und Mindestlohn nicht allzu groß ist.

Quelle Foto: © natali_mis/ Adobe Stock / 445619637

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